Per 1. Januar 2023 tritt in der Schweiz das neue Aktienrecht in Kraft. Nachdem in den vergangenen Jahren bereits einige Punkte davon umgesetzt werden konnten. In der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden beispielsweise die Geschlechter-Quote (Geschlechterrichtwerte; "comply or explain") bei börsennotierten Unternehmen oder die erhöhten Transparenzvorschriften für Rohstoffkonzerne kommt damit ein mehr als 15 Jahre dauerndes Projekt zum Abschluss. 

Neben flexibleren Kapitalvorschriften und mehr Rechten für die Aktionäre bringt das neue Gesetz auch zusätzliche Pflichten für den Verwaltungsrat, insbesondere im Hinblick auf die stärkere Finanzverantwortung, um eine mögliche Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens zu vermeiden.

 

Pflichten im Falle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn ein Unternehmen aller Voraussicht nach seinen finanziellen Verpflichtungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht nachkommen kann. Ein vorübergehender Engpass in der Liquidität stellt laut Gesetzgeber noch keine Zahlungsunfähigkeit dar.

Besteht die begründete Besorgnis einer drohenden Zahlungsunfähigkeit, ist der Verwaltungsrat verpflichtet (…) geeignete Massnahmen zur Sicherstellung der Liquidität zu ergreifen und wenn nötig zusätzliche Sanierungsmassnahmen einzuleiten (OR 725). Nötigenfalls obliegt dem Verwaltungsrat auch die Einreichung eines Gesuches um Nachlassstundung.

 

Stärkere Finanzverantwortung des Verwaltungsrats

Um eine solche mögliche Zahlungsunfähigkeit überhaupt feststellen zu können, steht der Verwaltungsrat ab dem 1. Januar 2023 in der Pflicht, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft ständig zu überwachen. Diese Pflicht ist nach OR 716a unübertragbar und unentziehbar, bei einer Nichtbefolgung droht im schlimmsten Fall eine Verantwortlichkeitsklage.

In der Praxis bedeutet das für KMU: um eine rollierende, sprich kontinuierlich aktualisierte Planung der Liquidität, wird man in Zukunft nicht mehr herumkommen. Viele Unternehmen tun sich bei dem Thema jedoch operativ schwer, daher nachfolgend ein paar Tipps, um diesen Punkt auf Ihrer Agenda möglichst rasch abhaken zu können.

 

Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit mittels Liquiditätsplanung: Best Practices

Das Ziel der Liquiditätsplanung ist es, die Mittelzuflüsse und -abflüsse über einen bestimmten Zeitraum zu prognostizieren. In der Regel wird die Liquidität auf 12 Monate geplant.

Um die Planung immer möglichst aktuell zu halten, ist es inzwischen Standard, eine solche Planung rollierend, sprich periodenorientiert und fortlaufend, zu erstellen.

Der Start jeder Liquiditätsplanung ist die Feststellung des Ist-Zustandes: wie viel Guthaben befindet sich zum Planunungszeitpunkt auf den Bankkonten, welche Forderungen werden kurzfristig realisiert, und welche Verpflichtungen sind offen?

Für die mittelfristige Planung kann das Jahresbudget ein guter Indikator sein, sofern ein solches mit der nötigen Sorgfalt erstellt wurde.  Achten Sie bei der Übernahme des Budgets jedoch darauf, dass dieses auf Erfolgs- und nicht auf Cash-Basis erstellt wird. Bevor diese Daten daher übertragen und in die Liquiditätsplanung mit einfliessen können, sind sie entsprechend zu bereinigen (beispielsweise ist Umsatz erfolgswirksam sobald eine Leistung erbracht ist, Liquiditäts-wirksam ist jedoch erst die Bezahlung der dadurch generierten Rechnung).

Weitere wichtige Datenquellen sind laufende Verträge mit Kunden und Lieferanten, Zins- und Rückzahlungs-Verpflichtungen aus Darlehensverträgen, und Anstellungsverträge mit Mitarbeidenden. Zu berücksichtigen sind zudem auch die Rekrutierungs-Pläne aus dem HR.

Wurde ein Basis-Szenario erstellt, geht es anschliessend im Rahmen einer Risiko-Reduzierung darum, dieses zu optimieren und verschiedene was-wäre-wenn Überlegungen zu simulieren. Solcherlei Szenarien können dem Verwaltungsrat als wertvolle Entscheidungshilfe dienen.

 

Automatisierung kann sich lohnen

Da sich die Geschäftsleitung aufgrund des rollierenden Charakters sehr häufig mit dem Liquiditätsplan beschäftigen wird (Empfohlen wird eine Aktualisierung auf mindestens monatlicher Basis, bei angespannter Liquiditätslage wöchentlich oder täglich), macht eine (Teil-) Automatisierung dieses Prozesses besonders viel Sinn.

Es gibt mittlerweile auch in der Schweiz preiswerte Lösungen für KMU wie TRESIO, welche mit wenig Aufwand implementiert werden können. Solche Standard-Lösungen zeichnen sich gegenüber Excel vor allem durch ihre verminderte Fehleranfälligkeit (Formelfehler gibt es damit nicht mehr) und den deutlich reduzierten zeitlichen Aufwand für die Aktualisierung aus, da Daten von Banken, ERP- und HR-Systemen automatisch in die Planung mit einfliessen.

Die obigen Ausführungen sind praxisbezogen gehalten, es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Wichtig ist es, dass Sie als Verwaltungsrätin oder Verwaltungsrat sich der neuen Anforderungen bewusst sind und die entsprechenden Massnahmen ergreifen. Alle Informationen zum neuen Aktienrecht finden Sie unter: https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/wirtschaft/gesetzgebung/aktienrechtsrevision14.html

 

Über den Autor

Tobias Angehrn / VRMandat.com

Tobias Angehrn

Tobias Angehrn ist Gründer und Geschäftsführer von Tresio, der Schweizer Online-Lösung für Liquiditätsplanung in KMU und Startups. Seine persönliche Mission ist es, KMU Zugang zu den Tools und dem Wissen zu verschaffen, wie es in grossen Organisationen Standard ist, und KMU dadurch erfolgreicher zu machen. Zusammen mit seinem 10-köpfigen Team entwickelt er die Idee des digitalen, smarten CFO. www.tresio.ch

 

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