Von Raoul D. Stöhlker. Viele gestandene Persönlichkeiten aus der Wirtschaft spielen mit dem Gedanken, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten als Verwaltungsrat gewinnbringend weiter zu geben. Gleichzeitig suchen viele Schweizer KMU händeringend nach guten Verwaltungsräten.
Sie brauchen erfahrene Führungskräfte, die das Unternehmen aus der Gefahrenzone der Routine in eine erfolgreichere Zukunft führen. Erwartet wird aber nicht nur die strategische Weitsicht. Der Verwaltungsrat muss zupacken, verkrustete Strukturen durchbrechen und bereit sein, unliebsame Aufgaben wie Personalabbau, Sparprogramme und die Suche nach neuen Partnerschaften aktiv voranzutreiben.
Der Traum vom Golf spielenden, zwischen Singapur, Paris und London pendelnden Überflieger mit hoher Bezahlung entspricht nicht der Realität. Vielmehr erwarten tausende nach Orientierung ringende Schweizer KMU vollen Einsatz seitens der Verwaltungsräte und dies selbstverständlich mit unmittelbarem Erfolgsnachweis. Die Globalisierung hat den Druck auf nationale Unternehmen massiv erhöht und deren Know-how und Netzwerke reichen nicht mehr aus, um den Konkurrenten aus aller Welt stand zu halten. Die Grenzen im internationalen Wettbewerb haben sich aufgelöst und dem Verwaltungsrat kommt die Verantwortung zu, das Unternehmen vor dem drohenden Untergang zu retten, hinein in eine blühende Zukunft; möglichst sofort versteht sich.
Dieses Bild steht dem Wunsch vieler achtbarer (Top-)Manager, Firmengründer und Berater entgegen, die nach einer erfolgreichen Karriere ihr Wissen auf eine bequeme Weise vergolden möchte. Die Realität sieht anders aus: Wer als VR-Honorar Fr. 60'000.- pro Jahr bezieht, darf sich glücklich schätzen. Deshalb streben viele Profi-Verwaltungsräte gleich drei oder mehr VR-Mandate an. Dies verschafft ihnen schrittweise die Freiheit, die sie anstreben. Die Klienten stellen aber nicht nur hohe strategische Anforderungen, sondern auch Operative. Der Konflikt ist vorprogrammiert.
Wie klappt's? Eine Zweitkarriere als Verwaltungsrat bedarf einer sorgfältigen Planung. Das Know-how, welches man einbringen möchte, muss auf dem neuesten Stand sein. Ein frühzeitig aufgebautes gutes Netzwerk ist auf jeden Fall von Vorteil. Wer in die Rolle des Retters schlüpfen möchte, darf sich nicht allein auf seine Erfahrung verlassen. Jedes VR-Mandat ist eine grosse Herausforderung und kein Mandat gleicht dem anderen. In vielen Fällen misslingt jeder Versuch einer unternehmerischen Neuausrichtung, weil die meist familienbestimmten Schweizer KMU aufgrund ihrer Zusammensetzung, Leidenschaften und Missverständnissen jegliche strategische Änderung im Kern ersticken. Entschlossenheit, Konfliktfähigkeit, voller Einsatz und Führungsstärke muss deshalb jeder Verwaltungsrat mitbringen. Für die bestmögliche Zusammensetzung des Verwaltungsrates ist Diversität entscheidend. Verwaltungsräte sollten sich im Idealfall in ihren Kompetenzen gegenseitig ergänzen. Dies sind auch die Eigenschaften, die jede klassische Geschäftsleitung bieten muss.
Die Wirtschaft hat sich grundlegend verändert und stellt auch an Verwaltungsräte immer höhere Anforderungen. Die gute Nachricht: Es gibt genügend fähige Persönlichkeiten, die Schweizer KMUs einen Weg durch die Kriegszone aufzeigen können und diese auch effektiv begleiten. Deshalb gilt es bei der Suche nach dem geeigneten Verwaltungsrat hinter die Fassade erfahrener Topmanager zu blicken und dann die richtige Wahl zu treffen. Die richtige Wahl kann den gewünschten Erfolg bringen; eine Garantie gibt es nicht. Die falsche Wahl wird den Untergang beschleunigen. Dies ist sicher.
Über den Autor
Stöhlker AG
VR-Präsident und Geschäftsführender Partner der Stöhlker AG, Zollikon, Unternehmensberatung für Öffentlichkeitsarbeit. Wir unterstützen Unternehmen, Organisationen und Persönlichkeiten in sämtlichen Kommunikationsfragen sowie dem nachhaltigen Image- und Reputationsaufbau. Dazu gehören u.a. strategische Kommunikation, klassische Öffentlichkeitsarbeit, Krisenkommunikation und Medientrainings. Zudem führen wir vier Business Clubs in Bern, Basel, Zürich und im Mittelland.